Festrede anlässlich der Enthüllung der Straßentafel am 1. Juni 2016

von Artur Paul Duniecki

 

Sehr geehrter Herr Bezirksvorsteher, liebe Festgäste, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Lassen Sie mich anläßlich der feierlichen Enthüllung dieser Straßentafel ›Weinmanngasse‹ ein paar Worte zu Charlotte Weinmanns Malerischem Werk, Ihrem sozialen Engagement und zu Ihrer gesellschaftlichen Relevanz sagen.

 

Als Charlotte Weinmann Ende der 60er Jahre mit ihrer jungen Familie in die Donau­stadt zog, wurde dieser Wiener Bezirk, damals noch ein ländlich­entlegener Stadtteil, zum Lebensmittelpunkt und bald auch zur Keimzelle für ihr gesamtes bildnerisches Schaffen.

Auf ihren Wanderungen an den Ufern des Stroms und in den Auen der Altarme, alles sozusagen vor der Haustüre, erkannte die damalige Kunststudentin jenen Schatz, aus dem die botanisch hochgebildete Malerin später ihren Bilderkanon entwickeln sollte.

Denn ›Charlotte Weinmanns Kunst, von den realistischen Anfängen bis hin zu den kühnen Abstraktionen ihres Spätwerkes – fußt in den Erscheinungen der Natur und ihrer künstlerischen Transformation, im Erkennen der allgegenwärtigen Metamorphose und dem Fokus auf den »kleinen Dingen« und ihrer insistierenden Mächtigkeit‹ (Dr. Josef Schweikhardt).

Charlotte Weinmann preist in ihren Bildern die Vielfalt und Schönheit dieser einmaligen Landschaft in und vor der Stadt, indem ›sie in liebevoller Verbunden­heit mit allem Lebendigen, den Bäumen unter die Rinde und dem Laub ins Ader­geflecht sah‹ (Dr. Elisabeth Schawerda).

Charlotte Weinmann hinterlässt ein malerisches Werk von großer Eindringlich­keit, das den Blick des modernen (Stadt)Menschen behutsam auf die kleinen, versteckten Naturschätze seines Lebenskreises lenken will.

 

1984 droht die Zerstörung der Donauauen bei Wien. Charlotte Weinmann engagiert sich politisch und organisiert federführend die Proteste der Künstler und Intellektuellen gegen die drohende Gefahr. Manifeste und Performances schaffen Öffentlichkeit, sie stellt ihr Atelier für Treffen zur Verfügung, der Verein ›Künstler für die Au‹ wird gegründet.

Charlotte Weinmann gewinnt für diese medial wirksamen und über Österreich hinausweisenden Aktionen zahlreiche Prominente aus Kultur und Wissenschaft, etwa Bernd Lötsch, Sir Karl Popper, Hans Weigel, Hans Fronius, Arik Brauer, Elisabeth Orth, Friedensreich Hundertwasser, Roland Rainer und viele andere, die Verantwortung einfordern.

Fotos aus diesen Tagen zeigen Charlotte Weinmann Seite an Seite mit Josef Cap, Alfred Gusenbauer, Erhard Busek, Freda Meissner­Blau, Günther Nenning, Günther Schifter u.v.a.

Aber auch bei weniger spektakulären Anlässen ist ihr künstlerisches Wollen immer mit sozialem Engagement verbunden, wie z.B. bei der Generalsanierung des ›Alfred­Klinkan­Hofes‹ in der Donaustadt (1999–2003), als sie sich für die Anliegen der Bewohner, Infrastrukturverbesserungen und die Namensgebung des bis dahin namenlosen Wohnhofes einsetzt.

 

Zwischen 1988 und 2005 wird Charlotte Weinmann mit der künstlerischen Aus­gestaltung und umfassenden Farbkonzeption von Bauwerken verschiedenster Bestimmung betraut, darunter ein Rechenzentrum, ein Forschungszentrum, Bürohäuser etc. (alle in Wien).

In diesem Kontext sind ihre Arbeiten für zwei Kindergärten der Stadt Wien besonders hervorzuheben, beide in der Donaustadt, beide wichtige Beispiele für das glückhafte Zusammenwirken von didaktischem Anspruch, Farbgestaltung und Architektur, nicht zu vergessen ihre künstlerische Mitwirkung bei der Gene­ralsanierung des oben erwähnten ›Alfred­Klinkan­Hofes‹.

In einem ihrer letzten Werke verwirklicht Charlotte Weinmann ein riesiges Wandbild auf der Feuermauer eines neuen Wohnhauses in der Erdbergstraße 180. Sie setzt damit in dem dicht bebauten, »harten« Straßenraum ein weithin sichtbares, farbenfrohes Zeichen, ein positives Beispiel für eine das Stadtbild bereichernde Kunstintervention.

 

Charlotte Weinmanns Bedeutung für die Malerei und die Stadt wird nun allmäh­lich ablesbar. Den gängigen Kunstklischees immer abhold, wird sie zur Chronistin des Kleinen, des oft Übersehenen, des Mikrokosmos der Natur, ganz so, wie sie es in ›ihrem Bezirk‹ vorfand.

Sie zeigt mit ihrer Kunst exemplarisch, wie Menschen in der Großstadt Natur erleben und begreifen können, auch ohne die Maschinen der Mobilität und die Maschinerie der Medien in Anspruch nehmen zu müssen. Mit Blick auf die Herausforderungen, denen wir uns heute im urbanen Raum gegenübersehen, ist dies ein wesentlicher Aspekt bei der Würdigung ihrer Person und ihres Werkes.

 

Ich schließe mit meinem besonderen Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass diese Gasse nunmehr den Namen der Künstlerin und Bürgerin der Donau­stadt Charlotte Weinmann trägt.

 

Herzlichen Dank!